DIE MUSIK SÜDOSTASIENS:                                                                                                                                                                                                             www.musikausasien.de

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Traditionelle Musik aus Myanmar
von Ingo Stoevesandt

"Myanmar", auch bekannt unter den Namen “Burma” (französisch) oder “Birma” (englisch, alle drei Begriffe beziehen sich auf den Begriff "Bama" der für die Einwohner Mynamars steht), ist vor allem durch seine antiken Städte Rangun und Pagan bei Touristen beliebt.
Im musikethnologischen Bereich ist vor allem die Bogenharfe Saung bekannt, jedoch kann der gesamte Bereich traditioneller Musik in Burma bis heute noch als unerforscht betrachtet werden, vor allem weil die Traditionen der in den heutigen Staatsgrenzen lebenden ethnischen Volksgruppen (wie z.B. der Karen) ebenfalls noch wenig erschlossen wurden. Zusätzlich wird der Zugang zu den musikalischen Traditionen durch politische Unruhen im Land erschwert, denn seit den 60iger Jahren leidet die Bevölkerung unter der strengen Herrschaft eines Militärregimes.

Im selben Jahrhunder,t in dem in Kambodscha das Königreich Angkor entstand, formte sich im heutigen "Myanmar" die mächtige Stadt Pagan, welche 849 erstmals erwähnt wird. Schon lange vorher, im Jahr 802, sandte der Hof  35 Musiker nach China, wo die musikalischen Eigenschaften der Instrumente (z.B. der Bogenharfe "saung gauk" ) großen Anklang fanden.

Diese frühe Erwähnung zeigt bereits deutlich, welchen Einfluss die Musik Burmas auf die Entwicklung musikalischer Traditionen in ganz Südostasien hatte. Hier finden sich antike Bronzetrommeln ähnlich derer aus der DongSon-Kultur, die bis heute von den
Karen hergestellt werden, genauso wie die Bogenharfe saung, deren Ursprung mit dem Vorkommen antiker Harfen in Mesopotamien verglichen wird.
Ähnlich wie in Thailand oder Kambodscha steht das Ensemblespiel im Vordergrund und bildet eine Kulmination aus Annäherungen
an indische und indonesische Musiktraditionen.

Durch eine politisch schwierige Situation ist die aktuelle Situation der Musik in Burma eher unklar. Jedoch läßt sich aus aktueller wie historischer Sicht die Musik Burmas am besten in zwei Bereiche einteilen: Die Kammermusik mit ihrer modalen Musik und die Musik der Ensembles.

Ein Anklang an die indonesische Ensembletradition findet sich im Ensemble namens “Hsaing waing" welches sich durchaus auch mit dem
 “
Pi Phat” Thailands oder dem “Pin Peat” in Kambodscha vergleichen läßt. Die gespielte Musik hat zwar einen ähnlich perkussiven Charakter, die Instrumente und ihre Stimmung verleihen der Musik jedoch eine Eigenständigkeit, die sie von den genannten Ensembles unterscheidet:
Die Musik der Ensembles ist meistens funktional gebunden, sei es als Untermalung zum Tanz, bei Theateraufführungen, zur Unterstützung der Liturgie im Tempel oder bei den öffentlichen "pwe" Festen, Hochzeiten oder Begräbnissen.

Ensembles bestehen heute aus gemischten Instrumentationen, da nicht immer  Spieler für ein erforderliches Instrument vorhanden sind - eine Situation, die sich durch den Bürgerkrieg natürlich noch verschlimmert hat und das gesamte musikalische Schaffen Burmas negativ beeinflusst.
So gibt es in ganz Burma nur noch ein einziges traditionell besetztes Ensemble, während andere Ensembles inzwischen meist auf die Hilfe von Schlagzeug, Keyboard und E-Gitarre zurück greifen. Da auch die Generation der Hersteller qualitativ hochwertiger traditioneller Instrumente fast ausgestorben ist, sieht man immer weniger traditionelle Instrumente im aktuellen Musikleben Burmas.

Im Zentrum steht der
Trommelkreis "pat wain", ein äußerst interessantes Instrument das so nur in Burma zu finden ist. Die Hauptmelodie wird von ihm und der Oboe "h'ne" vorgetragen, die durch ihre Baufiorm die typische Tonleiter der traditionellen Musik in Burma erzeugt.
Diese Tonleiter ist ebenfalls grundlegend für die traditionelle Kammermusik in Burma und soll im Folgenden näher erklärt werden:

Die Stimmung der Grundskala ähnelt unserer diatonischen Tonleiter, die Töne der 3. und 7. Stufe erklingen jedoch einen Viertelton tiefer,
die 4. Tonstufe einen Viertelton höher. Diese Abweichungen entstehen durch die annähernd equidistante Stimmung der
Oboe "h'ne", welche ihre Urheberschaft auch in den Tonnamen aufzeigt, so heißt z.B. die zweite Stufe "hna pau" ("zwei Finger"), die dritte Stufe "thou pau" ("drei Finger") usf. (jedoch ausschießlich in der Ensemblemusik):



Anders als in Europa wird die Skala rückwärts (also abwärts) gelesen: C-H-A-G-F-E-D-C. Dabei hat jeder Ton ebenfalls eine sakrale oder animistische Zuordnung und Bedeutung, manche tragen Tiernamen wie “Elefant” oder “Pferd”. Der Grundton “than-hman” scheint dem “sa” der indischen Skala zu entsprechen. Aus dieser heptatonischen Grundskala können vier verschiedene Modi entstehen, indem bestimmte Töne (meistens zwei) zu Nebentönen erklärt werden und so eine Pentatonik entsteht. Die Modi transportieren bestimmte Emotionen, ähnlich unserer Dur- und Mollharmonik. Wichtiger für die emotionelle Aussage eines Stückes sind jedoch die genutzten Tempovariationen und vor allem die Ornamentation der Haupt- und Nebentöne.
Leider ist auch heute in Burma die diatonische Tonleiter weiter verbreitet als die "traditionelle", und ihre Manifestation in der Hörgewohnheiten in Burma zeigt sich nur noch in der starken Toleranz gegenüber verstimmter Instrumente beim Publikum.

Dies betrifft auch den Gesang, denn manche Texte der Lieder werden zwar vom Puplikum mitgesungen, jedoch längst nicht mehr verstanden.
So werden vor allem bei Theaterausfführungen und Tanzdarbietungen Tradition und Moderne vermischt, und der (vor allem britische) Einfluß des Westens zeigt sich nicht nur in den westlichen Kostümen der "Mintha" und "Minthamee" (Schauspieler, Sänger und Tänzer = "Prinz" und "Prinzessin"), sondern auch in der Entfremdung der Hörgewohnheiten in Bezug auf Melodie und Sprache.

Es erstaunt nicht, daß durch diese und die politischen Gründe die wirklichen Kenner der traditionellen Musik Burmas fast ausschließlich im Ausland, vornehmlich Amerika und Europa, anzutreffen sind.

Abseits der vielfältigen Ensemblemusik und ihrer festen Verbindung mit Puppenspielen, Thetaraufführungen und Tanztraditionen finden sich noch weitere Musiktraditionen in Burma, so zum Beispiel die Textsammlung der “Maha Gita”-Gesänge, welche mit der Harfe "saung gauk" oder dem Xylophon "pa'tala"begleitet werden. Leider kann man der umfangreichen Theater- und Tanztradition auf einer so kleinen Internetseite gar nicht gerecht werden, obwohl diese Voraussetzung zum Verständnis der Musiktraditionen Burmas ist, daher muss diese
hier nur kurz erwähnt bleiben, bei Interesse lesen Sie eine Einführung dazu 
hier.
Die Kammermusik ist neben der Hofmusik Vietnams die einzige modale Musik Südostasiens, das heißt sie kennt für verschiedene Zwecke, Emotionen oder Themen zugeordnete Grundskalen, die sich voneinander geringfügig unterscheiden. Dabei gibt die Sängerin nicht nur die Grundmelodie sondern auch mit Hilfe von Schellen und Klappern den Grundrhythmus vor, ähnlich wie in der Ensemblemusik Thailands, wo
eine Zymbel den Grundrhythmus vorgibt.

Die Verknüpfung mit Thailändischen Traditionen erklärt die Geschichte Burmas: Als im 16. Jahrhundert (1560) die heute thailändischen Städte Ayutthaya und Chiang Mai von Burmesen erobert werden, treffen diese auf die Gesangstraditionen von Isaan und Lanna. Diese hatten das Ensemblespiel der Khmer begeistert integriert, Instrumente übernommen und Stücke adaptiert. So wanderten Annäherungen an die Musiktradition der Khmer bis nach Burma, wobei jedoch Analogien der Instrumente auch schon früher vorhanden waren. Mit der Gesangstradition “Mor Lam” gelangte schließlich auch die Mundorgel “Khaen” nach Burma, auch wenn diese bis heute eine eher untergeordnete Rolle im musikalischen Alltag spielt. Neben der für ungeübte Ohren thailändisch anmutenden Ensemblemusik gibt es für das musikalische Drama eine weitere Gattung, die jedoch fast verschwunden wäre und heute eine Wiederbelebung erfährt:
Die allgegenwärtigen 
Zat Pwe Festivals und den Nat Pwe Geisterbeschwörungen bilden heute einen Schwerpunkt wenn man nach Musik aus Burma sucht. Im ersten verbindet sich das traditionelle Hsaing Waing Ensemble mit modernen Instrumenten wie Schlagzeug oder gar E-Gitarre.

Über den “Exotismus” der Instrumente und die "fremd" klingende Tonskala erobert die traditionelle Musik Burmas auch langsam einen festen Platz in der “Weltmusik”-Sparte. Vor allem die Gesänge zur “Burmaharfe” und die oben genannten Pwe-Aufführungen findet man inzwischen auf
vielen CDs.  Künstler wie Stephan Micus (der selbst eine Oboe Hne zu spielen gelernt hat) lassen sich von traditionellen Stilen der Musik Burmas beeinflussen und transportieren diese in das elektronische Zeitalter.

Es bleibt zu hoffen, dass die politische Situation in Myanmar es bald wieder ermöglicht, die Grundlagen einer über tausend Jahre alten Musiktradition weiter zu ergründen und für die Nachwelt zu bewahren.